Der Engel im Schnee by Michael Bardon

Der Engel im Schnee by Michael Bardon

Autor:Michael Bardon [Bardon, Michael]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-11-21T16:00:00+00:00


-13-

Für ein paar Sekunden steht Tino da wie vom Donner gerührt. Um ihn herum herrscht hektisches Treiben. Die Frauen beginnen, die Kochtöpfe mit Wasser zu füllen. Er nimmt dies alles wie in Zeitlupe wahr, hat das Gefühl, mit dem Küchenboden fest verwachsen zu sein.

»Hier …«

Als Kirsten ihn unsanft anrempelt, ihm einen Topf voller Wasser entgegenstreckt, erwacht er endlich aus seiner Lethargie. Mechanisch fassen seine Hände zu, umklammern die Griffe des Edelstahltopfes, als würde sein Leben davon abhängen. Mit schnellen Schritten eilt er aus der Küche, immer darauf bedacht, den kostbaren Inhalt des Topfes nicht zu verschütten. Brandgeruch schlägt ihm auf dem Flur entgegen, er kann das gierige Knistern des Feuers bereits hören.

»Wasser! Wir brauchen Wasser …« Simon, laut hustend, seine Stimme klingt verzweifelt.

»Wo zum Teufel bleibt ihr mit dem Wasser? Wollt ihr, dass die ganze Bude abfackelt?« Tino erkennt Ralfs Stimme kaum wieder. Sie klingt rau, wütend und vorwurfsvoll.

»Bin ja schon da«, ruft er, während er vom Flur in die Gaststube abbiegt.

Dichter Rauch hängt in der Luft, sammelt sich im oberen Drittel der geräumigen Gaststube. In der linken Zimmerecke, gleich neben dem großen Panoramafenster, brennt der noch ungeschmückte Tannenbaum. Das Feuer frisst gierig die Kiefernnadeln und schlägt nur ein paar Sekunden später auf die Übergardinen des riesigen Fensters über.

»Die Gardinen, Ralf! Reiß die verdammten Gardinen runter!«, schreit Tino, während er mit dem Topf in den Händen quer durch die verqualmte Gaststube rennt.

Das Kiefernbäumchen brennt bereits lichterloh, es hat den Flammen nichts entgegenzusetzten. Durch das eingeschlagene Fenster dringen Schneeflocken und eisige Luft in den Raum. Der Wind heizt das Feuer zusätzlich an.

Tino kommt sich irgendwie dämlich vor, als er den kläglichen Inhalt seines Topfes über die brennenden Gardinen gießt. Aus dem Augenwinkel sieht er, wie Luisa in die Gaststube stürmt.

»Hierher Luisa! Wir müssen die Gardine löschen«, ruft Tino ihr zu.

Während sich der Inhalt des zweiten Topfes über all das Lodern ergießt, reißt Ralf, wie von Sinnen, die noch nicht in Brand geratenen Übergardinen herunter. Die Hitze, die vom brennenden Baum ausgeht, ist unerträglich, der Rauch im Raum wird immer dichter.

»Achtung, Leute, geht mal etwas zur Seite! Ich habe einen Feuerlöscher. Tino, hilf mir mal! Ich kann mit meinem gebrochenen Arm den Feuerlöscher nicht halten und gleichzeitig sprühen.«

Hoffnung keimt in Tino auf. Verwundert stellt er fest, dass jetzt Kirsten neben ihm steht. Er hat sich die Decken vom Leib gerissen und sie auf das brennende Sofa geworfen. Hektisch klopft er auf ihnen herum, versucht, die Flammen mit den Decken zu ersticken. Seine Haut spannt, die Hitze des Feuers ist höllisch. Er denkt an den Schnee, sehnt sich nach der Kälte, die keine zwei Meter entfernt auf ihn wartet.

Weißer Pulverdampf breitet sich im Zimmer aus. Simon löscht stoßweise, wie sie es bei einer Feuerwehrübung auf dem Flughafen gelernt haben. Die Hitze wird erträglicher, das Pulver aus dem Feuerlöscher zeigt erste Wirkung.

»Runter von der Couch!«

Ein starker Arm legt sich um seinen nackten Oberkörper, zieht ihn wie eine Puppe vom Sofa herunter. Weißer Pulverdampf hüllt ihn ein, raubt ihm die Atemluft, versetzt ihn kurz in Panik.



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